Unterwegs gesehen: Juan Gris – Verre et journal (1916)

(Öl auf Leinwand, 41 x 33 cm)

Als wir im Frühjahr in Südfrankreich unterwegs waren, musste ich einfach nach langer Zeit mal wieder ins Museum für moderne Kunst im kleinen Städtchen Céret in den Pyrenäen.

Dort haben Pablo Picasso und Georges Braque – wie ihr am letzten Sonntag ja im Video sehen konntet – einen großen Teil ihrer Theorie des Kubismus entwickelt.

Das Museum zeigt viele Werke von Picasso, neben Bildern auch Keramiken, und eben einige Arbeiten anderer Maler, die sich mit dem Kubismus auseinandergesetzt haben.

Dieses Stillleben von Juan Gris (1887 – 1927) hat mich angesprochen und heute möchte ich mir ein paar Gedanken dazu machen.

Was fällt mir bei der Betrachtung auf?

Im ersten Moment wirkt das Bild – ein Stillleben – wie eine Collage. Und die Kubisten haben ja auch mit Collage gearbeitet, haben sie quasi erfunden. Aber das Bild ist komplett gemalt, da ist nichts hineingeklebt.

Die Flächen sind weitgehend von geraden Kanten umrissen, scheinen sich zu überlagern oder ineinander gesteckt zu sein. Sie verlaufen in ganz unterschiedliche Richtungen, es gibt keine Perspektive mit Fluchtpunkten, auf die Linien zulaufen.

Trotzdem hat das Bild Tiefe durch die sich überlagernden Flächen. Und wird zusammengehalten durch die Elemente des Stilllebens, die über verschiedenfarbige Flächen weiterlaufen – wie das Glas oder die Zeitung. Und die Linienführung sorgt dafür, dass mein Blick durch das gesamte Bild wandert.

Die Farben beschränken sich auf eine Beige-Rosa-Kombination, etwas Blau und Graugrün, Schwarz und Cognacfarben. Diese braunen Bereiche wirken gemasert wie Holz, andere Bereiche wirken wie fleckig gedruckt – aber alles ist gemalt. Klasse, oder?

Was nehme ich für mich mit?

Ich mag klare Linien und geometrische Formen. Auch wenn ich gerne Landschaften mit organischen Formen und weichen Übergängen male, interessieren mich konstruierte Kompositionen.

Einen ersten Schritt in die „geometrische Richtung“ bin ich letztes Jahr mit meinem Projekt „Behausungen“ gegangen. Die Bilder sind dominiert von Gebäuden und Gebäudeteilen, von geraden Linien und geometrischen Formen.

Auch bei meinen täglichen Collagen gibt es viele, die weitgehend geometrisch aufgebaut sind mit Schwerpunkten auf Horizontalen oder Vertikalen. Und es gibt Überlagerungen mit transparenten Elementen.

Ich könnte also ausprobieren, die Collagen stärker in eine solche kubistische Richtung zu bringen. Oder im Skizzenbuch mit Fineliner und Aquarellfarben ein Motiv stark vereinfachen, zeichnerisch zerlegen und neu zusammensetzen. Oder eine Serie für die „Behausungen“ in einer Weise malen, die von den Kubisten inspiriert ist.

Und warum sollte ich das tun?

Für mich passt eine solche Darstellungsweise zu unserem Alltag. Schnelle Wechsel der Perspektive, kurze Aufmerksamkeitsspanne, Multitasking – selten ist unser Fokus länger auf einen Punkt konzentriert. Und diese ständigen Richtungswechsel könnten ihren Ausdruck in zerschnittenen Flächen und überlagerten Formen finden.

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