Ich habe das nicht studiert, ich mache das nicht zum Broterwerb, also dachte ich lange Zeit, diese Bezeichnung stünde mir nicht zu.
Wenn ich früher nach der Malerei gefragt wurde, habe ich mich in Umschreibungen gerettet und mich regelrecht entschuldigt: Ja, ich male. Ich male schon lange, aber ich habe das nicht gelernt.
Warum eigentlich so verschämt?
Vielleicht liegt es daran, dass wir in Deutschland so viel Wert auf Abschlüsse, Berufsbezeichnungen und Titel legen. Man muss eine Ausbildung machen, muss sie mit einer Prüfung beenden, bekommt ein Zeugnis und dann, ja dann ist man Was-auch-immer.
Ist das mit der Kunst auch so?
Wann ist man eine Künstlerin, ein Künstler? Wann kann man das, was man macht „Kunst“ nennen?
Fragen wir doch mal Wikipedia, was da zum Stichwort „Kunst“ steht (Ich zitiere hier nur zwei Stellen aus dem Einleitungsteil des Artikels.):
„Das Wort Kunst (lateinisch ars, griechisch téchne) bezeichnet im weitesten Sinne jede entwickelte Tätigkeit von Menschen, die auf Wissen, Übung, Wahrnehmung, Vorstellung und Intuition gegründet ist. Im engeren Sinne werden damit Ergebnisse gezielter menschlicher Tätigkeit benannt, die nicht eindeutig durch Funktionen festgelegt sind.“
„Kunst ist ein menschliches Kulturprodukt, das Ergebnis eines kreativen Prozesses.“
Wenn ich male, dann muss ich einiges wissen über Materialien und Maltechniken, über Bildkomposition, Farbtheorie und mehr. Ich muss üben, mit den Materialien umzugehen. Ich muss lernen zu sehen, sowohl was mögliche Motive als auch was das Geschehen auf der Leinwand oder dem Papier angeht. Ich muss Vorstellungen entwickeln, was ich darstellen will, was mein Bild vermitteln soll. Soweit, so gut.
Um ein Bild – unbestreitbar ein Kulturprodukt – zu machen, muss ich eine abstrakte Idee oder ein dreidimensionales Motiv umsetzen in eine zweidimensionale Darstellung. Muss dabei vereinfachen, verstärken, verändern, um die Wirkung zu erzielen, die ich mir vorstelle. Das ist auf jeden Fall ein kreativer Prozess.
Ich habe zwar kein Kunststudium absolviert, habe mich aber immer wieder intensiv mit Aspekten der Malerei beschäftigt, mir mit Büchern theoretisches Wissen angeeignet, einzelne Workshops besucht zur praktischen Unterstützung. Ich will mich und das, was ich mache, weiterentwickeln. Und ich glaube, das ist, was zählt.
Kurze und vereinfachende Schlussfolgerung: Wenn ich male, mache ich Kunst. Und wenn ich Kunst mache, bin ich eine Künstlerin!
Worum geht es mir bei diesen Überlegungen?
Ich glaube, dass wir oft viel zu schüchtern sind. Dass wir uns nicht trauen zu sagen, wer wir sind, als was wir uns fühlen. Weil wir vielleicht Angst haben, ausgelacht und nicht ernst genommen zu werden (ohne ein Zertifikat über unsere Qualifikation).
Ich habe inzwischen gelernt zu sagen: Ich bin Künstlerin, ich male und schreibe (ja, das mache ich auch immer wieder). Dabei lächele ich und meine Stimme ist fest und sicher.
Wie geht es euch mit euren kreativen Tätigkeiten? Als was bezeichnet ihr euch, wenn andere Menschen euch danach fragen? Und wie reagieren sie dann?
Schreibt mir eure Erfahrungen in die Kommentare, darüber würde ich mich freuen.