Inspirationen sammeln – und was fange ich damit an?

Wenn ich auf Reisen in kleinen Galerien Künstler*innen entdecke, deren Arbeiten mich ansprechen, dann suche und speichere ich ihre Websites und ich schaue, ob sie auf Instagram oder Pinterest vertreten sind, um ihnen zu folgen.

Und ich liebe es, im Netz nach Bildern zu stöbern, die mich ansprechen. Vor allem Pinterest ist da eine unendliche Quelle der Inspiration.

Ich mag es, in diesen gesammelten Bildern immer wieder mal zu stöbern, darin zu blättern wie in einem Lieblingsbuch. Und dabei – das kennt ihr sicher auch – vergeht die Zeit sehr schnell.

Was hat das alles mit meiner eigenen Kunst zu tun?

Einen Effekt hat das Bummeln durch die gesammelten Werke anderer fast immer: Ich will unbedingt und gleich auch etwas machen, etwas malen.

Meist ist es ein bestimmtes Bild, das mich ins Atelier treibt, das mich denken lässt: Genau so etwas will ich auch.

Keine Sorge, ich käme nicht auf die Idee, Bilder anderer Künstler*innen zu kopieren.

Aber ich spüre, dass sie etwas haben, das meinen Bildern – sagen wir mal: fehlt.

Ich spüre, dass in ihnen etwas ist, das ich für meine eigenen Arbeiten suche, was mich auf meinem eigenen Weg weiterbringen kann.

Aber was ist das, was ich da spüre, suche?

Heinrich von Kleist, das Reden und die Gedanken

Es gibt einen Aufsatz von Heinrich von Kleist mit dem Titel “Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden”. Durch das Sprechen über eine Sache, die einem selber nicht ganz klar ist, entwickelt man Ideen, präzisiert und strukturiert man Gedanken, weil man sie laut formulieren muss. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Gegenüber wirklich versteht, worüber man spricht.

Als Jugendliche habe ich häufig meiner Mutter beim mittäglichen Abwasch etwas zu erklären versucht, das ich für eine Klassenarbeit oder Klausur lernen musste. Sie pflegte zu sagen: “Auch wenn ich davon keine Ahnung habe, erzähl ruhig weiter.” Und ich habe beim Sprechen gemerkt, welche Teile des Schulstoffes ich beherrschte und von welchen ich nur eine schwammige Vorstellung hatte. Weil ich nämlich darüber keinen klaren Satz formulieren konnte.

Aber nicht nur Reden hilft, Gedanken über etwas zu entwickeln oder zu klären. Schreiben funktioniert ähnlich.

Journaling – Schreiben, um Nachzudenken

Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, dass es mir beim Nachdenken hilft, mit Füller in eine Kladde zu schreiben. Ich lasse die Gedanken unzensiert durch die Hand aufs Papier fließen und wundere mich immer wieder, welche Ideen mir dabei kommen, welche Verbindungen ich zwischen Dingen ziehe, die ich vorher nicht kombiniert habe. Frei nach Kleist nenne ich das die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Schreiben.

Auf Reisen nutze ich Füller und Kladde fast jeden Morgen, halte fest, was ich am Vortag gesehen, erlebt habe. Und dabei geht es natürlich vor allem auch um die Kunst, die ich unterwegs entdeckt habe.

Was ich viel zu wenig mache: Formulieren, was genau ich gesehen habe und was mich daran interessiert und fasziniert. Was ist es, das mich anspricht? Sind es Farben und Formen? Ist es die Art der Abstraktion vom Vorbild?

Ich habe mir vorgenommen, diese Art des Journaling ab sofort regelmäßig zu machen.

Ich werde mir außerdem die gespeicherten Bilder anschauen und versuchen, Gemeinsamkeiten zu finden. Warum habe ich mir genau diese Bilder gemerkt? Kann ich sie in Gruppen zusammenfassen mit ähnlichen Merkmalen (Farben, Texturen, Grad der Abstraktion)? Welche Hinweise geben sie mir, meine eigene Arbeit weiterzuentwickeln?

Einzelne Bilder werde ich mir ausdrucken, dazu eine Stichwort-Liste zu den gefundenen Ideen. All das hänge ich an eine Art Inspirations-Wand, ein Mood-Board ins Atelier, um mich zu erinnern, wohin ich gehen möchte.

Denn Inspirationen sammeln bedeutet nicht, andere zu kopieren, sondern mehr darüber zu lernen, was uns selber interessiert und was vielleicht die nächsten Schritte für uns sein können auf unserem kreativen Weg.

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