Am Ende meines letzten Blogbeitrags habe ich geschrieben, dass das 100-Tage-Projekt mir hilft, meinen künstlerischen Weg zu finden. Das klang so klar und sicher. Aber so klar fühle ich mich gerade gar nicht.
„Künstlerischer Weg“ – bisschen hochtrabend, denke ich.
Und der kleine, fiese Kritiker auf meiner linken Schulter zischt mir ins Ohr: „Du glaubst doch nicht etwa, das, was du machst, sei Kunst?“ Ich gebe ihm einen Schubs und er rutscht mir den Buckel runter. „Doch“, sage ich laut und versuche gelassen zu gucken. Ich habe mir letztes Jahr vorgenommen, mein kreatives Tun ernst zu nehmen. Und das lasse ich mir von diesem Wicht auch nicht ausreden.
Der hopst inzwischen auf meinen Schreibtisch und piekst mich mit einem dürren Zeigefinger in den Oberarm.
„Dein 100-Tage-Projekt ist heiße Luft!“ Er gibt ein „Pffft!“ von sich und verschränkt die Arme vor der mageren Brust. „Du kleckst und kritzelst auf deinen Papierfetzen herum ohne Sinn und Verstand.“
„Nur weil dabei nichts herauskommt, was du als vorzeigbar oder gar verkäuflich ansehen würdest, heißt das nicht, dass es unnütz ist“, sage ich leise. Er hat es schon wieder geschafft, mich zu verunsichern. Trotzig rede ich weiter.
„Es sind Übungen. Übungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Wenn man sich weiterentwickeln will, muss man Neues ausprobieren, muss die Komfortzone verlassen.“
Er kichert, dann winkt er ab. „Phrasen!“
Ich schlucke. So ganz unrecht hat er nicht. Bisher bleibe ich zu sehr an der Oberfläche, beschäftige mich mehr mit der technischen Seite der Malerei als mit der inhaltlichen. Und das auch eher flüchtig.
„Steht nicht etwas von ‚Fokus bewahren‘ in deinem Jahresmotto?“, will mein Kritik-Wicht wissen. Ich nicke. „Und wo liegt der?“, fragt er weiter.
Im Moment liegt er beim Spiel mit Kontrasten, beim Ausprobieren, beim Kritzeln und Klecksen. Für eine Weile ist das okay, aber kein dauerhafter Selbstzweck. Was also sind meine Themen? Worum soll es in meinen Bildern gehen?
Genau damit muss ich mich intensiv beschäftigen, wenn ich meinen „künstlerischen Weg“ finden will. Muss mich fragen, was mich interessiert und warum.
Das Was ist die eine Seite, die zweite ist das Wie. Wie will ich meine Ideen umsetzen? Dazu habe ich angefangen, in meinen gesammelten Inspirationen zu graben. Warum habe ich unterwegs ein Foto von diesem Bild gemacht oder jenes aus dem Internet gespeichert? Spricht es mich immer noch an? Was genau gefällt mir daran? Was gefällt mir besonders an Bildern, die ich selber gemalt habe. Gibt es Gemeinsamkeiten?
Der kleine graue Mann auf meinem Schreibtisch kneift die Augen zusammen, eine steile Falte erscheint auf seiner Stirn. „Kann es sein, dass du es wirklich ernst meinst?“
Ich grinse.