Unterwegs gesehen: Wassily Kandinsky – Herbststudie, vermutlich aus Oberau (1908)

Öl auf Pappe, 32,8 cm x 44,5 cm

Farbenfroh – das erste Wort, das mir bei diesem Bild in den Sinn gekommen ist.

Fröhlich, spielerisch, lebendig – das waren die nächsten Begriffe.

Eine abstrahierte Landschaft im Herbst, die Wiesen noch grün, der Laubwald in warmen Farben. Lockere Pinselstriche – es ist eine Studie, also kein bis ins letzte Detail ausgearbeitetes Bild. Und doch ist es in sich vollständig.

Was fällt mir bei der Betrachtung auf?

Kneife ich die Augen zusammen, ergibt sich eine Teilung des Bildes in ein unteres, helles Drittel und den oberen, größeren Teil in weitgehend dunklen Tönen.

Mein Blick fällt zuerst auf die helle Wiese im Vordergrund, wird dann angezogen vom Herbstwald im Mittelgrund. Dort passiert am meisten durch die vielen, einzeln gesetzten Pinselstriche. Vom Wald aus wandert mein Blick weiter nach oben zu den Kronen der Birken, die sich praktisch nahtlos anschließen.

Diese Blickrichtung wird gefördert durch den hellen Weg, der von unten links nach rechts und aufwärts führt und durch die Stämme der Birken, die nach oben streben.

Auch farblich wird mein Blick durchs Bild gelenkt. Der Weg hat einen rosafarbenen Ton, führt genau zu einer rosafarbenen Form auf der rechten Seite. Und das Rosa findet sich außerdem oben links als Himmelsausschnitt (vermutlich Abendlicht symbolisierend). Dadurch ergibt sich ein Dreieck, das die komplette Komposition einschließt.

Was nehme ich für mich mit?

Mir gefällt der Kontrast aus den eher einheitlichen Flächen (Wiesen und Berge) und denen aus vielen einzelnen Pinselstrichen – passive und aktive Flächen.

Die Kombination von warmen und kühlen Farben bringt Spannung und ihre Verteilung Bewegung ins Bild.

Die Bäume im Vordergrund sind ganz klar Birken, gekennzeichnet durch den hell gescheckten Stamm und die Form der Baumkrone. Das zeigt mir, wie wenig man eigentlich braucht, um ein Motiv eindeutig zu kennzeichnen. Es müssen die charakteristischen Details sein, alles andere kann ich weglassen. Dazu muss ich aber zuerst mein Motiv genau wahrnehmen, muss lernen wirklich hinzuschauen und diese Details herauszufiltern.

Malen heißt also einerseits sehen lernen – vermutlich hat irgendjemand das schon mal so formuliert -, und fordert andererseits immer wieder unsere Entscheidung: Was brauche ich für mein Bild und was lasse ich weg.

Und um diese Entscheidung treffen zu können, muss ich mir klar sein, was ich mit meinem Bild ausdrücken möchte, was ich den Betrachtenden zeigen möchte.

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