Kontrolle zu haben ist wichtig – das lernen wir schon als Kinder. Wir lernen, unsere Bewegungen zu kontrollieren, um selber essen und laufen zu können. Wir lernen, unser Verhalten zu kontrollieren, uns an vorgegebene Regeln zu halten, um in der Gesellschaft zu funktionieren.
Kontrolle zu haben gibt uns ein Gefühl von Sicherheit, von Stärke. Kontrolliert zu werden lässt uns Unterlegenheit spüren.
Haben wir die Kontrolle, geben wir sie nur ungerne ab.
Wo bleibt da die Kreativität?
Die Muse, die Inspiration lässt sich nicht kontrollieren.
Ich kann nicht beschließen, jetzt eine Idee für einen Roman zu haben.
Ich kann mich aber dem Schreiben hingeben, indem ich regelmäßig schreibe, und wenn es „nur“ die bekannten Morgenseiten von Julia Cameron sind. Und darauf hoffen, dass sich während des Tuns Ideen einfinden, denen ich folgen möchte.
Habe ich die Kontrolle über meinen Stift oder Pinsel, kann ich vielleicht einen Gegenstand, eine Person, eine Landschaft treffend zeichnen oder malen. Aber ohne ein kreatives Moment wird das Bild steif und leblos.
Wenn ich mir dagegen die farbenprächtigen Provence-Bilder von Vincent van Gogh anschaue mit ihren ganz eigenen, wilden und dynamischen Pinselstrichen, dann spüre ich, wie sehr er sich der Malerei hingegeben hat.
Hingabe und Kontrolle im Wechsel
Ich glaube, in der Malerei, in der Kunst überhaupt brauchen wir beides.
Wenn ich ein Bild intuitiv beginne, muss ich die Kontrolle loslassen. Ich denke nicht an ein fertiges Produkt, sondern spüre in mich hinein und mache, was sich gut anfühlt.
Irgendwann komme ich an einen Punkt, an dem ich zurücktrete von der Staffelei und umschalte. Ich betrachte, was da vor mir ist aus der Distanz, nicht nur räumlich.
Jetzt kommt wieder die Kontrolle ins Spiel. Ich analysiere, was ich sehe. Ich mache mir Gedanken über mögliche nächste Schritte.
Und wenn ich das nächste Stück des Weges vor mir sehe, dann tauche ich wieder ein in den Prozess und lasse ihn die Führung übernehmen.
Ich schreibe das hier, als wäre es so einfach. Aber ich ertappe mich immer wieder dabei, dass ich versuche, ein Bild in eine bestimmte Richtung zu bringen. Dass ich also nach Kontrolle strebe.
Immerhin merke ich das inzwischen immer öfter und verordne mir dann einen kreativen Kontrollverlust.